Turkmenistan im geopolitischen Konflikt zwischen dem Westen und Russland
Stabilität, Kontinuität und politische Risiken im Zeichen pragmatischer Kooperation mit Moskau
Der geopolitische Konflikt zwischen dem Westen und Russland steigert das öffentliche Interesse an Zentralasien – einer strategisch zunehmend wichtigen Region zwischen China und Europa, die traditionell als Moskaus geopolitische Einflusszone gilt. Zuletzt beschäftigte sich eine Reihe von Expertenmeetings mit damit verbundenen Fragestellungen. Auf einer dieser geschlossenen Veranstaltungen teilte Dr. Hannes Meissner zuletzt Einblicke in das Fallbeispiel Turkmenistan.
Die leitenden Fragen des Vortrages waren: Wie positioniert sich Turkmenistan in der Region, seit der Sohn des vormaligen Präsidenten Gurbanguly Berdymuchamedow, Serdar Berdymuchamedow, die Macht übernommen hat? Und welche innerstaatlichen Veränderungsprozesse sind zu erwarten?
Trotz der Machtübernahme durch seinen Sohn, zieht Vater Gurbanguly im Hintergrund weiter die Fäden. Zentrales Steuerungselement ist dabei der Sicherheitsapparat. Demzufolge sind im Inneren keine Reformen zu erwarten. Turkmenistan zählt nach wie vor zu den repressivsten, korruptesten, am meisten verschlossenen und autoritärsten Staaten der Welt. Die damit verbundenen hohen politischen Risiken für Unternehmen behindern den sozioökonomischen Aufschwung, da ausländische Investitionen fernbleiben, insbesondere von Unternehmen aus dem Westen. Drei Politikbereiche politische Entscheidungsprozesse zeugen davon, dass das Land von seiner bisherigen Politik im Inneren unter Serdar nicht abrückt:
1) Die Rolle der Farbe Weiß, die Lieblingsfarbe von Gurganguly Berdymuchamedow, wird im öffentlichen Lebensalltag weiter verankert. Nachdem nur noch weiße Autos zugelassen sind, wurden zuletzt auch schwarze FFP2 Masken verboten.
2) Nachdem zuletzt Nordkorea Covid19 Fälle eingeräumt hat, bleibt Turkmenistan nun das einzige Land der Welt, das nach offiziellen Angaben von der Pandemie ausgespart worden ist.
3) Der Umgang mit Frauen: Frauen ist das Autofahren offiziell verboten, auch wenn dieses Gesetz in der Praxis nicht hart umgesetzt wird. Zuletzt wurde allerdings auch beschlossen, dass Frauen unter 40 Autos auch nicht mehr kaufen, und auf dem Beifahrersitz nicht mehr Platz nehmen dürfen.
In der Außenpolitik, bzw. regionalen Wirtschaftspolitik, gilt die propagierte immerwährende Neutralität fortan. In der Praxis allerdings strebt das Land im regionalen Raum pragmatische Kooperationen an, darunter mit den Taliban und dem Iran. Auf solche Weise wird versucht, sich vom zuletzt starken wirtschaftlichen Einfluss Chinas ein wenig zu lösen.
Gleichzeitig sind alle Blicke der herrschenden Elite auf Moskau gerichtet. Die Staatsbesuche Serdars in Moskau zeugen von der pragmatischen Nähe des Landes zu Russland. Am Ukrainekrieg, über den nach Ausbruch in den staatlichen Medien tagelang nicht berichtet wurde, wird nur vorsichtig Kritik geübt, auch wenn in internationalen Foren das Prinzip der Souveränität und Nichteinmischung durch äußere Mächte in innere Angelegenheiten unterstrichen wird. Auch gratulierte Serdar dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selensky zum Unabhängigkeitstag. In der Praxis stehen die Beziehungen zu Moskau aber im Zeichen einer engen Kooperation, die vor allem auch aus sicherheitspolitischen Interessen getrieben ist. Das Interesse Russlands für Stabilität und Herrschaftskontinuität in den Ländern der Region zu sorgen, ist mit den Interessen der herrschenden Elite kompatibel.
Unter diesen Bedingungen sind auch mittelfristig Herrschaftskontinuität, ausbleibende Reformen und damit anhaltend hohe politische Risiken für westliche Unternehmen in Turkmenistan zu erwarten.